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Monat der Performancekunst

„Wir sind immer die Verrückten“

Mit Performancekunst tut sich Berlin nach wie vor schwer – es gibt wenig Fördermittel, dafür viele Vorurteile. Dass Performance nicht immer ein Haufen Nackter sein muss, die sich mit Farbe überschütten, beweist im Mai der „Monat der Performancekunst“. Zum vierten Mal kommen dafür Künstler aus aller Welt zusammen – diesmal sogar in einem eigenen Hauptquartier direkt an der Spree. Von Doris Hellpoldt


 

Wenn man den ersten Schritt hinter den Baulattenzaun in der Holzmarkstraße macht, eröffnet sich eine kleine Parallelwelt. Neben abgestellten Fahrrädern wächst ein Baum durch die Deckplanken, die hier zu einem provisorischen Boden zusammengezimmert sind. Über eine etwas wackelige Holztreppe geht es nach unten zum Gelände, auf dem der „Ding Dong Dom“ sein temporäres Zuhause gefunden hat – das Basislager für den Monat der Performancekunst (MPA-B).

„Das Schöne daran ist, dass dieser Ort noch keine Identität mitbringt“, findet Francesca Romana Ciardi, eine der Organisatorinnen des MPA-B. „Wir können das selbst entwickeln und das Haus mit all den Dingen füllen, die wir im Mai vorhaben.“ In gewisser Weise ist das neue Hauptquartier selbst ein Experiment: Es ist das erste Mal, dass der größte Teil des Programms sich auf einen Ort konzentriert. Mit seiner improvisierten Optik ist der „Ding Dong Dom“ auf dem Holzmarktgelände direkt an der Spree außerdem bestens als Domizil für die vergleichsweise flüchtige Performancekunst geeignet.

Komplett recycelt

Konzipiert und gebaut wurde der „Ding Dong Dom“ von der Künstlergruppe „Showcase Beat le Mot“ und dem Archtitekten Martin Kaltwasser, mit viel Unterstützung von freiwilligen Helfern und auch den Künstlern selbst. Bis hier in zwei Jahren die Bauarbeiten für das nächste Hotel oder Bürogebäude beginnen, darf der Ort eine Art Blaupause dafür sein, wie mögliche Räume für diese Art von Kunst in Berlin oder anderswo aussehen könnten. Auch der Gedanke, alles aus recyceltem Material und gemeinsam mit vielen Freiwilligen zu bauen, drückt eine Selbermach-Mentalität aus, die gut zur Philosophie des MPA-B passt.

„Es soll ein Treffpunkt sein, wo sich Publikum und Künstler begegnen und miteinander reden können – zu jeder Tageszeit“, erklärt Ciardi. „Der MPA-B kann diesmal wirklich eher als Gastgeber auftreten, der Künstler einlädt und ihnen auch Raum bieten kann.“ Anders als in den Vorjahren ist dieses Hauptquartier als Anlaufstelle sichtbar. Hier soll es auch die Möglichkeit geben, sich über Performance als Kunstform auszutauschen. Nach dem letzten MPA-B gab es beispielsweise weiter regelmäßige Treffen, aus denen Kollaborationen und gemeinsame Projekte entstanden sind, angefangen bei gegenseitigem Mentoring bis hin zu ganz praktischer Hilfe beim Vermitteln von Räumen oder Material. Das stärkt das Identitätsgefühl im Team, aber auch bei den Künstlern. „Wir werden ja immer wieder als die ‚Verrückten‘ abgestempelt“, so Ciardi.

Provokateure im „Hotel Obscura“

Zu sehen gibt es auch außerhalb des „Ding Dong Doms“ eine Menge, denn auch in diesem Jahr finden viele Performances an verschiedenen Orten und öffentlichen Plätzen in Berlin statt. MPA-B-Kurator Richard Rabensaat beispielsweise bringt am 17. Mai mehr als 20 Künstler für eine ortspezifische Performance in der alten Field Station auf dem Teufelsberg zusammen. Das Programm verspricht für diesen Tag eine Bandbreite „von der Soundperformance über die Long-Durational Installation bis hin zum kurzen, symbolträchtigen Act“, über die die Künstler mit dieser besonderen Kulisse interagieren.

Ein weiteres Projekt, das auch außerhalb des Hauptquartiers viel Stoff zum Beobachten bietet, heißt „Hotel Obscura“. Acht Künstler werden dabei für 48 Stunden in vier Hotelzimmern „eingesperrt“. Die Kuratoren dieser Performance laden Gäste, Provokateure und vielleicht auch das Publikum ein, von außen – über Skype oder E-Mail zum Beispiel – mit den Künstlern in Kontakt treten und ihnen Aufgaben zu stellen. Für Neugierige, die nicht dabei sein können, gibt es einen Livestream.

„Es geht nicht darum, eine verrückte Aktion zu machen“

„Die Vorstellung, Performance bedeutet, dass Leute nackt umherlaufen und sich Farbe über den Kopf gießen, ist leider noch sehr verbreitet“, ergänzt Teena Lange, eine der Kuratorinnen des diesjährigen MPA-B. „Wir wollen mit diesem Monat zeigen, dass Performancekunst auch andere Herangehensweisen und Ergebnisse haben kann und andere Erfahrungen ermöglicht. Es geht ja nicht darum, eine verrückte Aktion zu machen, sondern vor allem zu reflektieren, warum man etwas tut.“

Es könnte an solchen Missverständnissen liegen, dass es nach wie vor sehr schwierig ist, Performancekunst finanziert zu bekommen. Dazu kommt, dass es in einer Stadt wie Berlin in der freien Szene sehr viele Mitbewerber um Fördertöpfe gibt. Teena Lange weiß aus eigener Erfahrung, dass die Finanzierung von Performance-Projekten oft ein Problem ist. „Man kann ja nicht einfach sagen: ‚Wir wissen nicht, was in der Performance passieren wird.‘ Das kann man einem Geldgeber schwer vermitteln. Aber das ist nun mal der Charakter von Performancekunst“, so Lange. „Andererseits ist das ja auch genau das Schöne daran. Im Leben weiß man ja auch nicht, was morgen passiert. Man muss sich für diese Kunstform einfach öffnen, die Erfahrung zulassen und Teil davon werden. Dann kann auch etwas Einzigartiges entstehen.“

Kein Festival, sondern ein Kunstwerk

Da es keine offizielle Förderung für den Monat der Performancekunst als Gesamtprojekt gibt, bringen Fördermittel mit oder stecken ihr eigenes Geld in die Performances. Der Programmkatalog wurde über eine Fundraising-Party finanziert. Für die Künstler und Team-Mitglieder gibt es trotz aller Schwierigkeiten eine sehr klare Motivation für ihre Arbeit: „Den MPA-B zu veranstalten ist für uns auch schon eine Performance“, sagt Francesca Romana Ciardi. „Wir betrachten das nicht so sehr als Festival mit einem übergeordneten Thema und verschiedenen Programmpunkten, sondern tatsächlich als Kunstwerk.“ Außerdem helfe dieser Monat dabei, Berlin als europäisches Zentrum für Performancekunst zu etablieren. „Darauf sind wir sehr stolz – viele Leute wollen nach Berlin kommen, nur um zu sehen, was wir hier machen oder Teil davon zu sein.“

Bis Ende Mai werden dann fast täglich Projekte und Performances im „Ding Dong Dom“ zu sehen sein. Daneben gibt es Konzerte, Stammtische, Ausstellungen, Gespräche und Vorträge. 86 Projekte sind Teil des Programms. Das sind zwar weniger Veranstaltungen als im Vorjahr, dafür gab es aber das Kuratorenteam, die „Co-Labourers“, die einzelne thematische Einheiten oder Programmreihen zusammengestellt haben. „Das Programm ist auf jeden Fall vielfältiger geworden“, sagt Francesca Romana Ciardi. „Und wir haben versucht, alles so zu planen, dass es keine zeitlichen Überlappungen gibt – wenn man sehr engagiert ist, könnte man sich also alles ansehen.“

Beitrag von Doris Hellpoldt Stand vom 30.04.2014

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